Als vor zwei Wochen der Wirbel um den geplanten Bayreuth-Auftritt des Israelischen Kammerorchesters losbrach, war dessen österreichischer Musikdirektor gerade in Wien. Jetzt ist Roberto Paternostro wieder in Tel Aviv und wird heute Abend das Saison-Eröffnungskonzert dirigieren. Das wäre normalerweise ein Routineereignis, diesmal aber wird man gespannt beobachten, wie dem Mann begegnet wird, der die beinahe vergessene Kontroverse um die Musik Richard Wagners plötzlich wieder angeheizt hat. "Die wollen wohl alle sehen, ob ich geohrfeigt werde" , sagt der 53-jährige Wiener, wobei er die Situation durchaus zu genießen scheint.

Der Plan, den Israelis Wagner schmackhaft zu machen, indem man ein israelisches Orchester in die Hauptstadt des Wagner-Kults einlädt, war Insidern schon seit Monaten bekannt, sollte aber geheim bleiben. Katharina Wagner selbst, die 32-jährige Urenkelin des judenfeindlichen Komponisten und Kochefin der Bayreuther Festspiele, wollte sich in Tel Aviv an der Seite Paternostros der Nazi-Vergangenheit ihrer Familie stellen. "Die Idee war von mir" , sagt Paternostro, "aber ich habe sie gleich gewarnt, dass es kein Spaß wird." Die israelische Tageszeitung Jediot Acharonot brachte alles durcheinander, als sie eine Woche zu früh mit der Nachricht herausplatzte.

Katharina Wagner wagte sich nicht nach Israel - das "einzigartige Gastspiel" der Israelis im nächsten Sommer wurde durch eine schlichte gemeinsame Aussendung Wagners, Paternostros und des Oberbürgermeisters von Bayreuth offiziell angekündigt. Wagner machte auch insofern einen Rückzieher, als sie betonte, das Gastspiel habe "nichts mit den Bayreuther Festspielen zu tun" . Dabei hatte Paternostro begeistert davon gesprochen, dass das israelische Orchester "die Bayreuther Festspiele eröffnen" werde. Die Wahrheit liegt in der Mitte: Das Konzert wird - als "Auftakt der Festspielsaison" - in der Bayreuther Stadthalle stattfinden. Wagner und der ebenfalls als Antisemit geltende Liszt werden durch die Juden Mahler und Mendelssohn ausbalanciert.

In Israel selbst war die Aufregung nicht sehr groß. Es gebe kein Gesetz gegen Wagner, auch der von den Israelis heiß geliebte Zubin Mehta hätte versucht, den Wagner-Bann zu brechen. Wird das nun ausgerechnet einem österreichischen Dirigenten gelingen? "Gegenüber Menschen, die eine KZ-Nummer am Unterarm haben, muss man stumm sein" , sagt Paternostro, erwähnt aber auch, dass seine Mutter, "die vier Jahre den gelben Stern trug" , ihn ermutigte. Auch den Orchestermitgliedern stellte er frei, mitzufahren. Alle hätten gesagt: "Wagner, super, das machen wir."

Heute Abend wird Beethoven gespielt. Klaviersolistin ist übrigens Elena Bashkirova, die Frau von Daniel Barenboim, der erst kürzlich wieder dafür plädierte, Wagners Musik und dessen Antisemitismus auseinanderzuhalten. (Ben Segenreich aus Tel Aviv/DER STANDARD, Printausgabe, 20.10. 2010)