Zwei Proben für Richard Wagners Siegfried-Idyll ? Für professionelle Musiker kein Problem. Trotzdem habe man überlegt, sagt der Solo-Klarinettist des Israel Chamber Orchestra (ICO) , Dan Erdmann, ob nicht jeder von ihnen seine Noten mit nach Hause nehmen solle, um zu üben – schließlich habe man noch nie Wagner gespielt, im ganzen Leben nicht, keine einzige Note.

Aufs Üben in Tel Aviv haben sie dann allerdings doch verzichtet. Um nicht noch mehr Öl ins Feuer zu gießen. Wagner in Israel ist ein Problem, immer noch und bis auf weiteres. Erdmann und seine Kollegen werden das Siegfried-Idyll also beim Konzert heute um 11 Uhr in der Bayreuther Stadthalle zum dritten Mal in der Geschichte des Orchesters spielen. Eine (fast) jungfräuliche Begegnung.

Der Plan des ICO, als erstes israelisches Orchester Wagner zu spielen und zwar: in Deutschland! in Bayreuth!, dieser Plan hat in Israel die alten Reflexe ausgelöst und für mächtig Aufruhr gesorgt. Rechte Politiker wollten im Parlament einen Antrag auf Entzug der Subventionen einbringen, in diversen Internet-Foren ging es hoch her, Holocaust-Überlebende protestierten. "Ich respektiere das Schicksal dieser Menschen", betont Chefdirigent Roberto Paternostro im Gespräch in Bayreuth. "Denn was soll ich jemandem sagen, der in Auschwitz die Hölle erlebt hat? Es gibt auch Menschen in Israel, die kaufen bis heute keine deutschen Produkte. Ende. Davor habe ich zu schweigen, in Ehrfurcht."

Und dann erzählt er von einer hitzigen Radio-Diskussion am Vorabend ihrer Abreise. Wartet, bis wir tot sind, habe einer der Gegner des Projekts immer wieder gerufen. Wäre das Problem dann aus der Welt geschafft? "Oft sind die Nachkommen, die Enkel und Urenkel der Überlebenden in ihren Ansichten viel militanter, viel aggressiver", sagt Erella Talmi vom Management des Orchesters, die an der Diskussion teilgenommen hat. "Wagner ist in Israel ein Symbol. Ein Symbol für das Böse."

Dieses Böse freilich scheint sich vor Ort sauber zu trennen. Auf der einen Seite ist da die Stadt, die in dem Projekt eine "Jahrhundert-Chance" wittert (der Kulturbeauftragte Nikolaus Richter), eben weil Bayreuth ein "Kraftzentrum des Nationalsozialismus" (Oberbürgermeister Michael Hohl) gewesen sei. Auch wenn man diese Formulierung in ihrer Direktheit bezweifeln mag und muss: Die Bilder eines Adolf Hitler, der vom Balkon des Festspielhauses grüßt, einer mit Hakenkreuzfahnen beflaggten Auffahrtsallee, sie wirken bis heute nach. Und auf der anderen Seite stehen die Festspiele selbst, die dieser Tage zwangsläufig mit ganz anderen Dingen befasst sind, mit der Eröffnungspremiere , dem neuen Ring -Regisseur und den unter gewerkschaftlichem Einfluss offenbar gravierend verschlechterten Produktions- und Arbeitsbedingungen. So hat Katharina Wagner zwar die Schirmherrschaft über das Konzert des ICO übernommen, glänzte bei der Pressekonferenz aber durch Abwesenheit. Ein Signal? Nein. Nur keine Zeit, nur schlechtes Timing.